Kapitel 8: Besuch aus München und Kopf verdreht
An
Ausschlafen war nach einer ruhigen Nacht, für unsere drei Freunde, aber auch am
Donnerstag leider nicht zu denken. Da die Welt ja bekanntlich, besonders im
friesischen, ein Dorf ist und das Grundstück der Familie Selders bereits ab
7:30 Uhr morgens von ersten Medienvertretern belagert wurde, was selbst
Johannes‘ Vater nicht komplett verhindern konnte.
Journalisten konnten
bekanntlich schon immer schlimmer als Zecken sein, wenn es darum geht, eine
gute Titelstory für ihre Zeitungen zu bekommen.
Und die regionalen
Vertreter der großen TV-Sender kennen da auch nur wenig bis gar keine Gnade.
Wenn sie etwas wittern, dass sich für die Hauptnachrichtensendungen eignet,
schicken sie ihre Kamerateams auch barfüßig an den Südpol – Pinguine kegeln.
*****
„Diese Pressedödel
werden auch immer unverschämter. Da hatte doch gerade wirklich einer die Stirn
zu behaupten, er wäre ein Cousin von dir Raphael – angeblich will er Markus
Senner heißen“, wetterte Herr Selders ungehalten, weil er den Journalisten erst
einmal 15 Minuten lang klarmachen durfte, dass die Jungs ihre Ruhe brauchen und
sich erst um 13 Uhr in einer kleinen Pressekonferenz, ihren Fragen stellen,
werden. Und dann kam da doch dieser 1,78 Meter große dunkelblonde,
graublauäugige Typ, direkt auf ihn zu und versuchte ihn, mit seinem leicht
bayerischen Dialekt, nach seinem ‚Cousin‘ Raphael auszufragen.
„Kurze, dunkelbraune
Haare, graublaue Augen – zwanzig Jahre alt?“, kam es wie aus der Pistole
geschossen von Raffi, der gerade einen großen Schluck von seiner Morgen-Latte
mit viel Milch getrunken hatte.
„Ähm richtig –
warum?“, fragte der Hausherr, obwohl er die Antwort bereits kannte. Denn
Raphael hätte nicht nachgefragt, wenn er den jungen Mann nicht doch kennen
würde.
„Weil ich wirklich
einen Cousin habe, der Markus Senner heißt. Franz, ohne dir jetzt zu nahetreten
zu wollen – aber hol ihn doch bitte herein.“ Raffi hatte seinen Cousin vor vier
Jahren zum letzten Mal gesehen, der war damals B-Jugendspieler beim FCB,
Spielführer der U-17 Nationalmannschaft und hatte bereits einen Vertrag mit der
Münchener Bundesligamannschaft sicher.
„Krass – bist du echt
mit dem Markus Senner verwandt?“
Malte war schon immer ein Fan vom FCB. Doch seit er als Zwölfjähriger mit
seinem Vater einmal zu einem Spiel der U-17 Nationalmannschaft gefahren war und
live miterlebte, wie Markus Senner gegen die englische Auswahl zwei Tore für
seine Mannschaft erzielte, war der Münchener Jugendspieler sein Idol geworden.
Deshalb fand der Rotschopf es auch besonders schade, dass der Münchener
Fußballer, aus wie es offiziell hieß, gesundheitlichen Gründen, seine
Profikarriere bereits beenden und den Verein verlassen musste, bevor sie
begonnen hatte. „Ich hab eigentlich nie begriffen, warum der Markus damals
nicht in die erste Mannschaft übernommen wurde“, sinnierte der Jugendliche,
noch während sein ehemaliges Idol mit Johannes‘ Vater in die Küche trat und das
große ‚Hallo‘ ausbrach.
„Mei – bist du groß
geworden Raffi“, sprudelte es aus dem 1,78 Meter großen
Verwaltungsfachangestellten heraus, der sich beim Landkreis Friesland um eine
ausgeschriebene Stelle beworben hatte und gleichzeitig die Gelegenheit für
einen Besuch bei seinen Verwandten nutzen wollte.
*****
„Jungs ihr habt
wirklich Glück, dass euer Verein so hinter euch steht“, war das Erste, was er
sagte, nachdem er sich eine Weile mit unseren drei Freunden unterhalten hatte
und dadurch erfuhr, dass sein Cousin mit Johannes zusammen ist, ihr Kumpel
Malte ebenfalls einen festen Freund hat und dass sie geoutet und akzeptiert
sind. Markus‘ Stimme klang wehmütig, als er dies sagte. Er selbst hatte da nach
seinem Zwangsouting weniger Glück gehabt. Die Sache lag jetzt zwar mittlerweile
vier Jahre zurück, dennoch schmerzte ihn der Gedanke daran, dass er jetzt neben
Schweini und Co für den FCB in Bundesliga und Champions League spielen könnte,
immer noch. Deshalb versuchte er jetzt, wo er mir seiner Ausbildung fertig war,
mit allen Mitteln aus München wegzukommen. Und da kam ihm dieses Jobangebot vom
Landkreis Friesland doch sehr gelegen, zumal er hier wenigstens Verwandte
hatte, die in ihm nicht das ‚schwarze
Schaf der Familie‘ sahen.
„Offiziell hieß es,
dass ich wegen ‚gesundheitlicher Probleme‘ nie wieder spielen kann. Die
Wirklichkeit sieht allerdings anders aus, ich bin körperlich völlig fit. 2008
tauchten während der Wiesn Bilder auf, die heimlich gemacht wurden, als wir mit
der Mannschaft im P1 waren. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt auch einen festen
Freund – naja wir sind zwischendurch zusammen aufs Klo …“ Johannes, Raphael und
Malte glaubten wirklich sich verhört zu haben, als Markus ihnen verriet, warum
sein Vorvertrag für die Bundesligamannschaft gelöst, er aus dem Verein
ausgeschlossen wurde und wie dem Ausnahmetalent dadurch auch gleichzeitig die
Türen zu den anderen Bundesligavereinen für immer verschlossen wurden.
„Ein paar verwackelte
Handyfotos, das war alles?“, fragten unsere Freunde sichtlich schockiert.
„Ja – aber durch die
war ich plötzlich zwangsgeoutet und auf dem einen Bild war leider genau zu
erkennen, dass es keine Weißwurscht war, die ich gezuzelt hab.“ Markus
erinnerte sich immer noch viel zu gut daran, als er Montagsmorgens zum Leiter
des Sportinternats zitiert und was für Magenkrämpfe er hatte, als er dort vom
Vereinspräsidenten, mit den für ihn verhängnisvollen Bildern konfrontiert
wurde. „Das hatte keine zehn Minuten gedauert und mir wurde von Präsident
Unsinn, wie er es nannte, ‚zu meinem eigenen Schutz‘ nahe gelegt, die
Fußballstiefel an den Nagel zu hängen. Danach durfte ich unter Aufsicht meine
Sachen packen und zu meinen Eltern heimkehren.“ Damit begann für den damals
noch Sechzehnjährigen ein Spießrutenlauf, der damit endete, dass er lieber in
eine betreute Wohngruppe zog, von dort aus seinen Schulabschluss machte und
eben diese Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt München
absolvierte.
Allerdings holte ihn die Vergangenheit dann kürzlich seine wieder
ein, als er auf seinem Smartphone eine MMS erhielt, die ihn als Sechzehnjährigen
beim Zuzeln auf dem Klo im P1 zeigte. Dabei hatte der Zwanzigjährige mit diesen
Erinnerungen, an seine letzte Zeit als Jugendfußballer beim FCB, doch gerade
richtig abgeschlossen und sein neues Leben verlief in geordneten Bahnen. Aber
jetzt war dies alles wieder hochgekommen und er hielt es einfach nicht mehr aus
und wollte der Stadt seiner peinlichsten Niederlage lieber heute als morgen
endgültig den Rücken kehren. „Naja und dann hab ich mich an dich und deine
Eltern erinnert, dann hab ich zufällig die Stellenausschreibung vom Landkreis
Friesland im Internet gefunden, mich darauf beworben und jetzt bin ich hier.“
Auch wenn Markus sich mit den Umständen die zu seinem
jetzigen Leben führten, engagiert hatte, so hörten Raffi, Jo und Malte es doch
deutlich heraus, dass er lieber Profifußballer geworden wäre, anstatt
Verwaltungsfachangestellter. Er wäre damals sogar mit einem Vereinswechsel
einverstanden gewesen, bloß um weiter kicken und doch noch Profi werden zu
können. Aber selbst dieser Weg war ihm ja durch das Vorschieben
gesundheitlicher Gründe, durch das Münchener Präsidium versperrt worden.
„Da verpulvert der FCB jährlich Millionenbeträge für neue
Spieler, aber für talentierte Nachwuchsspieler ist kein müder Cent mehr da,
sobald sie geoutet sind. Und ich dachte immer, die Zeiten der Inquisition wären
vorbei.“ Malte Gruber war so dermaßen enttäuscht von der Haltung seines jetzt ehemaligen Lieblingsvereins, dass
er sofort sein Smartphone zückte und die FCB-App löschte. „Die sind ab sofort
für mich gestorben – aber so was von!“
*****
Die Zeit verging buchstäblich wie im Flug und je länger sich
unsere drei Freunde mit dem baldigen Exilbayern unterhielten, umso besser
verstanden sie sich mit den Zwanzigjährigen.
„Och nö – jetzt ist es schon fast 13 Uhr“, stellte Johannes
nach einem kurzen genervten Blick auf das Tacho fest. Jetzt würden sie sich
also gleich der hungrigen Meute stellen müssen und wussten eigentlich so gar
nicht, was sie denen erzählen sollten.
„Am besten werfen wir denen einfach ein paar Bröckchen hin,
die machen ja eh daraus, was ihnen gerade einfällt“, schlug Malte vor, der
plötzlich eine Idee hatte, wie sich der Auftrieb vor dem Haus ganz schnell
auflösen lässt.
„Die Idee ist gar nicht so dumm Malte – und bei der
Gelegenheit könnten wir die Aufmerksamkeit ja dann auch noch auf ein anderes
Thema lenken“, sinnierte Raphael und schaute seinem Cousin dabei besonders tief
in die Augen. „Du hast doch noch eine Rechnung offen und dies wäre jetzt die
einmalige Chance, sie zu begleichen.“
Ein Lächeln huschte über Markus‘ Gesicht, denn in der Tat
sah er hier die Chance seinem alten Verein endlich die Zähne zeigen zu können
und vielleicht ergab sich daraus ja sogar eine neue Chance, doch noch
Profifußballer zu werden. Obwohl es durch seine Homosexualität bestimmt nicht
leicht, wenn sogar unmöglich werden würde, einen geeigneten Verein zu finden.
„Dann mal auf in die Schlacht!“, blies der dunkelblonde
Bayer zum ‚Sturm‘.
*****
„Moin, moin, also um es kurz zu machen, wir sind schwul –
und das ist auch gut so!“, haute Malte lachend zur Begrüßung raus. Obwohl er
genau wusste, dass dies jetzt genau das war, was die Medienvertreter am
allerwenigsten hören wollten. „Somit haben Sie auch gleich den wahrscheinlich
einzig logischen Grund dafür, dass wir in den vergangenen Wochen zu Opfern
eines Shitstorms wurden, der sogar in einer Morddrohung gipfelte. Aber wie Sie
ja sehen können, leben wir noch und erfreuen uns dank dem besonnenen Zugriff
der Polizei, bester Gesundheit“, schnatterte Malte munter weiter, obwohl noch
nicht eine einzige Frage gestellt worden war. Über die Entschlossenheit, mit
welcher ihr Freund und Teamkamerad hier zum direkten Angriff übergegangen war,
konnten Jo, Raffi und dessen Cousin Markus nur staunen.
„Alle weiteren Fragen zu dieser Angelegenheit werden Ihnen
Staatsanwaltschaft und Polizei zu gegebener Zeit gerne beantworten. Wir werden
hierzu vorerst garantiert nichts weiter sagen“, schloss sich Johannes den
Ausführungen ihres rothaarigen Mannschaftskapitäns an. Woraufhin alle vier auf
dem Absatz kehrt machten und so taten, als wollten sie ins Haus zurückkehren.
Soviel Kaltschnäuzigkeit hatten selbst die erfahrensten unter den
journalistischen Vertretern noch nicht erlebt. Dafür sollten sie sich den
ganzen Vormittag über die Beine in den Bauch gestanden haben? Bloß um dann zu
erleben, wie sich drei halbstarke Jugendfußballer vor ihnen als homosexuell
outeten? Entsprechend groß wurde jetzt auch das Gemurmel, welches allenthalben
ausbrach und einem wild gewordenen Schwarm Wespen im Hochsommer glich.
Unsere Freunde grinsten selbstzufrieden in sich hinein. Sie
hatten es innerhalb kürzester Zeit geschafft, die Meute noch hungriger zu
machen.
„Erinnert sich irgendwer von Ihnen zufällig noch an den
ehemaligen FCB und U-17 Juniorennationalspieler Markus Senner?“, fragte
Raphael, wobei man glauben konnte, beobachten zu können, wie sich die Ohren der
Medienvertreter schlagartig wieder aufstellten. „Wenn Sie wissen möchten, warum
ein kerngesunder U-17-B-Junior des FCB wegen gesundheitlicher Probleme aus dem
Verein geworfen wurde, dann lesen Sie einmal in Ihren Archiven nach und kommen
morgen zu unserer Weihnachtsfeier in den Schützenhof. Dort wird Ihnen mein
Cousin dann gerne alles erzählen, was Sie wissen möchten.“ Mit dieser
journalistischen ‚Hausaufgabe‘, verabschiedeten sich unsere Freunde und gingen
an die Straße, wo Markus seinen VW-Golf abgestellt hatte, sie stiegen
ungehindert ein und fuhren kurze Zeit später zu Laurin.
*****
„Oh man – die dummen Gesichter von denen hätte ich wirklich
zu gerne gesehen“, sonderte Laurin, sich vor Lachen kringelnd, ab, als seine
Freunde ihm in den glühendsten Farben berichteten, was bei Johannes vorm Haus
für ein Auftrieb war. Die natürliche Fröhlichkeit den kleinen Halbasiaten
wirkte auch auf Markus ansteckend. Und überhaupt hatte er schon lange nicht
mehr so viel zu Lachen gehabt, wie heute mit seinem Cousin und dessen Freunden.
„Bist du eigentlich auch morgen auf dieser Weihnachtsfeier?“,
fragte Markus, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. Dafür machte sich ein anderes
Gefühl in ihm breit, je öfter er dem Halbasiaten in die Augen schaute, umso
mehr begann es bei ihm in der Magengegend zu kribbeln. So etwas hatte der
Zwanzigjährige nicht mehr erlebt, seit Mario und er sich voneinander getrennt
hatten, damit der nicht auch noch aus seinem Verein geworfen wurde.
„Also, geplant is‘ das ja auf jeden Fall. Ich weiß nur noch
nicht genau, wie ich da hinkommen soll“, antwortete Laurin kichernd. Er musste
sich ja immer noch schonen und alleine wollte er keinesfalls mit den doofen AOK
Shopper zum Schützenhof rausfahren, was außerdem viel zu anstrengend wäre.
„Na ich kann dich ja abholen und hinterher hier wieder
abliefern“, bot der Münchener sofort an. „Und Malte – nehm ich
selbstverständlich auch mit“, schob er schnell nach, damit niemand auf die Idee
kommen konnte, dass er sich in den niedlichen Halbasiaten verguckt hatte.
Johannes und Raphael hatten allerdings mittlerweile so etwas wie ein schwules
Gespür entwickelt. Deshalb suchte Raffi händeringend nach einem Vorwand, um
eine Weile ungestört mit seinem Cousin reden zu können. Die Steilvorlage dazu
gab ihm Malte dem plötzlich einfiel, dass sie ja noch gar keine Getränke und
Knabberzeug für ihren Harry Potter Abend besorgt hatten.
„Das können wir beiden doch eigentlich schnell erledigen
oder Markus?“
„Klar, kein Problem“, antwortete der Zwanzigjährige und
kurze Zeit später waren sie auch schon unterwegs.
*****
„Du sag mal Laurin, wie ist das jetzt eigentlich mit Aaron
und dir. Er ist ja in letzter Zeit viel bei dir, läuft da was zwischen euch?“,
fragte Johannes gerade heraus. Die Ohren des Gefragten gewannen nach dieser
Frage deutlich an Farbe, bevor er antwortete:
„Also – so richtig fest zusammen sind wir nicht aber …“,
nuschelte der Halbasiate vor sich hin.
„Aber?“, hakte der Grünäugige nach.
„Na ja – wir haben ein paar Mal miteinander rumgemacht“,
gestand er kaum hörbar. „Warum fragst du danach?“, setzte er lauter hinterher.
„Wie es aussieht, hat Raffis Cousin Markus ein Auge auf dich
geworfen“, meldete sich jetzt auch Malte zu Wort, dem das Verhalten seines
sportlichen Idols ebenfalls nicht entgangen war.
*****
„Laurin ist niedlich, gelle?“, eröffnete Raphael seinerseits
das Gespräch, kaum dass sie losgefahren waren, woraufhin nicht nur die Ohren
seines Cousins bedrohlich rot anliefen.
„Aber so was von, dem würde ich glatt die Sterne vom Himmel
holen“, gestand Markus verschämt grinsend, nachdem er sich kurz gesammelt
hatte.“
„Das hat man gemerkt, du hast ihn ja mit deinen Augen fast
ausgezogen, obwohl da ja eh nicht viel war. Aber es gibt da etwas, dass du über
unseren Freund wissen solltest. Wir wissen es zwar noch nicht sicher, aber es
spricht einiges dafür, dass er vergeben ist.“ Markus musste schwer schlucken
als Raffi dies sagte, denn es war leider nicht das erste Mal, dass der
Münchener so etwas erlebte.
„Aber niedlich finde ich ihn trotzdem, er wäre genau der
Richtige für mich.“
„Das kann dir auch keiner verbieten. Ich wollte nur nicht,
dass du dir eventuell falsche Hoffnungen machst.“
„Sagen werde ichs ihm trotzdem. Laurin soll ruhig wissen,
welche Wirkung er auf mich hat.“
*****
„Is‘ ja krass und dabei kennt er mich doch noch gar nicht“,
reagierte Laurin kichernd, bevor es an die Zimmertür klopfte und Aaron kurz
darauf Gefallen an ihm fand und Markus war zudem ein echter Hingucker. Und wenn
er ganz tief in sich reinhörte, dann konnte er sogar hören, wie sein Herz ganz
leise den Namen des jungen Mannes rufen hörte.
„Du Laurin – können wir uns bitte mal kurz unter vier Augen
unterhalten?“, fragte der Gymnasiast mit einem dicken Kloß im Hals, nachdem er seine
drei Freunde begrüßt hatte. Es war ihm heute in der Schule nämlich genau das
passiert, wovor er in der letzten Zeit die meiste Angst gehabt hatte. Merle
Buss die Klassensprecherin aus der 11c hatte ihn in der großen Pause
angesprochen. Es hatte gewaltig zwischen ihnen gefunkt und kurz darauf lagen
sie sich bereits knutschend in den Armen. Jetzt hatte er natürlich ein
sagenhaft schlechtes Gewissen deswegen, weil er gestern und heute früh vorm Aufstehen
noch mit Laurin rumgeleckt hatte.
„Kannst du mir noch mal zeigen, wo hier das Klo ist – Jo? Du
kennst dich hier doch schon etwas besser aus als ich.“ Der Angesprochene
verstand diesen überdeutlichen Wink mit dem Zaunpfahl natürlich und kurz darauf
verließen sie den Raum.
*****
„Du Laurin – ich – ich – ach Scheiße – ich hab in der Schule Mist gebaut“, stammelte Aaron
heulend, kaum dass sie ein paar Minuten alleine waren und er neben seinem
Freund auf der Bettkante Platz genommen hatte. Der Angesprochene sah den
Sechzehnjährigen aus großen Augen an und strich ihm mit der Hand sanft über die
Wange.
„Hey mein Großer“, sagte er leise zu ihm, „was ist denn so
Schlimmes passiert? Das wird schon alles wieder – glaubs mir.“
„Nein – wird es nicht, das wirst du mir nie verzeihen“, jammerte
der blauäugige Teenager weiter und schloss die Augen, bevor er weitersprach. „Ich
– ich – ich hab in der großen Pause mit der Merle aus der 11c rumgeknutscht und
jetzt sind wir zuhusammen“, stammelte er leise vor sich hin. Laurin hatte nach
diesem Geständnis erst einmal zu schlucken, doch dann besann er sich auf ihre
Absprache. Er holte einmal tief Luft und dann antwortete er ihm:
„Hey is‘ doch alles okay. Du hattest mir doch gleich gesagt,
dass du nicht sicher weißt, ob du dich nicht irgendwann wieder in ein Mädchen
verliebst. Na und die Merle ist eine tolle Frau. Und wenn ihr euch lieb habt,
dann ist das völlig in Ordnung. Das Wichtigste ist doch, dass wir Freunde
bleiben.“ Es fiel dem Halbasiaten einerseits nicht leicht, dies zu sagen. Aber
andererseits, freute er sich auch für seinen langjährigen Freund und so konnte
er wenigstens, ohne ein schlechtes Gewissen dabei haben zu müssen, sehen, wie
sich die Sache mit Raphaels Cousin weiterentwickelt, in den er sich auf den
ersten Blick verguckt hatte.
*****
„Was meinst du, ob sich unser Gastgeber über etwas Süßes
freuen würde?“, fragte Markus als sein Cousin und er ihren Einkaufswagen im
famila Einkaufscenter an einem Regal mit Schokoladenspezialitäten, mit einer
lila Kuh drauf, vorbeischoben.
„Mit Nugat kannst du ihn ködern, er wächst allerdings nicht
mehr, haben wir schon alles probiert“, scherzte Raphael schmunzelnd. So kannte
er seinen Cousin aus Bayern, wenn er sich früher, als sie noch jünger waren,
etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog er es auch durch. Wenn jemand zu ihm sagte,
„geh nicht durch diese Tür“, dann ging Markus garantiert hindurch. Einfach weil
er wissen wollte, was dann wohl passiert. Aber das war Schnee von vorgestern,
Markus‘ Selbstbewusstsein hatte nach dem Rauswurf aus dem FCB einen
ordentlichen Knacks abbekommen und es hatte lange gedauert, bis er sich von
diesem Trauma wieder erholt hatte.
„Nicht? Hmm, eigentlich schade – aber ich mag ihn genauso,
wie er ist und deshalb gibt’s was Süßes – für den Süßen!“, bestimmte der Zwanzigjährige
schmunzelnd, griff eine Box von den Pralinees mit Nugatfüllung in Herzform und
legte diese zu den Getränken und den üblichen Knabbereien in den Wagen. Markus
fühlte sich einfach nur glücklich, so sehr hatte ihm dieser junge Mann, den er
gerade erst kennengelernt hatte, bereits den Kopf verdreht. Endlich hatte er
mal wieder jemand getroffen, mit dem er sich auch eine gemeinsame Zukunft
vorstellen konnte. Alleine das war es Wert hier oben im Norden zu bleiben und
Arbeit würde er schon finden, selbst wenn es beim Landkreis Friesland wider
Erwarten doch nichts wird.
Aber soweit wollte Markus Senner erst gar nicht denken, denn
das Gespräch mit der Personalchefin war recht positiv verlaufen und sie hatte ihm
sogar schon eine Reihe von Telefonnummern guter Vermieter mitgegeben, weil er
ja noch ortsfremd sei. Sein bisheriger Chef in der Behörde hatte zwar gesagt,
dass er ihn nur schweren Herzens ziehen lassen, ihm aber keine Steine in den
Weg legen würde, falls es mit der Anstellung in ‚Ostfriesland‘ klappen sollte
und ihm viel Glück gewünscht.
*****
„Dürfen wir wieder reinkommen?“, fragten Malte und Johannes
leise, als sie ihre Köpfe zur Zimmertür rein streckten.
„Klar – kommt ruhig rein, oder wollt ihr euch nachher beim Filmegucken
unbedingt eure Hälse verrenken“, scherzten Aaron und Laurin grinsend.
„Ich muss eh jetzt wieder los – meine neue Freundin wartet
nämlich auf mich“, verkündete der blauäugige Blondschopf erleichtert, gab
Laurin zum Abschied noch einen Schmatz auf die Wange, bevor er sich auch von
Malte und Jo verabschiedete, die den Rest des Gespräches der beiden besten
Freunde vom Flur aus mitbekommen hatten. Nein – schwule Jungs sind nicht neugierig,
sie wollen halt nur alles wissen.
„So spielt das Leben Männers, aber andere Mütter haben auch hübsche
Söhne“, stellte Laurin schmunzelnd fest und legte sich tief entspannt zurück.
*****
Mitten im Einkaufszentrum brach urplötzlich ein Jubelsturm los,
als hätte der FSV mit 10:0 gegen den FCB gewonnen und Markus hätte sämtliche
Tore geschossen.
„YES, ich hab den Job. Am 02. Januar fange ich an!“, freute
sich der Zwanzigjährige, packte sein Smartphone wieder ein, umarmte seinen
Cousin und führte mit ihm einen wilden Kriegstanz auf, während zwei alte Damen
vor lauter Schreck ein Rollatorwettrennen veranstalteten. Naja gut – Wettrennen
ist jetzt maßlos übertrieben, aber sie versuchten den offensichtlich verrückt
gewordenen jungen Männern, so schnell wie nur irgendwie möglich Richtung
Kassenbereich zu entkommen.
„Keine Angst meine Damen, die sind nich‘ verrückt – die wollen
nur spielen“, scherzte Kassiererin Rita Kruse schmunzelnd, als die Rentnerinnen,
atemlos pfeifend, ihr vorläufiges Ziel erreichten.
*****
In München liefen in der Geschäftsstelle des FCB derweil die
Telefonleitungen heiß. Es gab nämlich Unstimmigkeiten bezüglich des überraschenden
Abgangs des Juniorenspielers Markus Senner in den Archiven.
Während der Presse damals offiziell mitgeteilt wurde, dass
der Spieler Anfang Oktober 2008 mit schweren gesundheitlichen Problemen aus dem
Verein ausgeschieden sei, konnte man dagegen im vereinseigenen Archiv auf der
Homepage nachlesen, der Sechzehnjährige Juniorennationalspieler habe den
Verein, auf eigenen Wunsch, in unbekannte Richtung verlassen.
„Seitens der Geschäftsleitung ist derzeit leider keine
Stellungnahme möglich. Vereinspräsident Unsinn befindet bereits im Weihnachtsurlaub
mit seiner Familie und ist erst ab dem 02. Januar wieder verfügbar.“ Mehr war
in dem Fall Markus Senner von der Geschäftsleitung nicht rauszubekommen.
Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben sah darin
deutlich einen Versuch Zeit zu gewinnen und fragte bereits nachmittags in ihrer
Onlineausgabe: ‚Was war der wirkliche Grund für den Rauswurf des Fußballtalents
Markus Senner?‘
„Der Markus war als Sechzehnjähriger schon ein besserer
Spieler als ich“, erinnerte sich der Münchener Profi Bastian Schweinsteiger in
einem kurzen Interview mit unserer Zeitung bereitwillig, als wir ihn zufällig
auf dem Parkplatz der Geschäftsstelle antrafen, bevor er in den Urlaub fuhr.
Er hatte den talentierten U-17 Juniorennationalspieler
mehrfach im Training, mit der Mannschaft, des derzeitigen Herbstmeisters
erlebt. „Der war so gesund, wie Sie und ich. Wer was anderes behauptet, der
redet Unsinn ...“
*****
„Wo wohnst du eigentlich im Moment?“
„Hier ganz in der Nähe, im Haus Pellmühle, warum?“
„Frag Mutti und Vati doch einfach, ob du übergangsweise, bis
du hier deine eigene Wohnung hast, das Gästezimmer haben kannst. Das ist doch billiger,
und wenn die ihnen ein bisschen Verpflegungsgeld gibst, sagen die bestimmt
nicht Nein“, schlug Raphael seinem Cousin vor, nachdem sie ihre Einkäufe im
Auto verstaut hatten.
„Mei, des wär scho pfundig, wenn des klappen tät“, fiel
Markus kurz in seinen Dialekt, weil ihm der Gedanke vorläufig bei Onkel und
Tante zu wohnen doch recht gut gefiel. Gerade auch deshalb, weil er Weihnachten
und Silvester nicht wieder allein verbringen wollte wie in den letzten beiden
Jahren. Okay im vergangenen Jahr war er für ein paar Tage nach Söll in den
Snowboardurlaub gefahren, aber endlich mal wieder Weihnachten in der Familie
oder mit einem Teil davon zu verbringen, wäre schon etwas Besonderes.
„Oder noch besser, ich regele das schnell“, brabbelte Raffi
munter weiter und griff nach seinem Smartphone. „Hallo Mutti ich bins. Du sag
mal, der Markus ist ja momentan hier oben. Ja genau, er hat den Job bekommen.
Ich soll dir von Ma gratulieren, Markus.“
„Danke sehr“, freute er sich.
„Du aber sag mal Mutti, kann der Markus nicht einfach solange,
bis er eine eigene Wohnung hat, in Torstens altem Zimmer wohnen? Das ist dann
doch auch billiger für ihn und er gibt euch auch Verpflegungsgeld dazu. Was
sagst du? Mutti sagt, du sollst dein Geld lieber für sich behalten und
selbstverständlich darfst du solange bei uns wohnen.“
Markus war zunächst sprachlos über dieses Angebot, dann
wollte er aber unbedingt selbst noch kurz mit seiner Tante sprechen.
„Das ist wirklich lieb von euch, ich weiß gar nicht, was ich
dazu sagen soll. Aber ich möchte euch dann wenigstens einmal zum Essen
einladen“, sagte der junge Mann mit Freudentränen in den Augen. „Gut, dann ist
das abgemacht, ich packe nur schnell meine Sachen im Hotel, bezahle die
Rechnung und dann kommen Raffi und ich kurz rüber. Danke noch mal für alles,
ich hab euch lieb.“
*****
Besser hätte der Neustart für Markus Senner nicht beginnen
können. Nicht nur, dass er den Job beim Landkreis bekommen hatte, sondern er darf,
bis er eine Wohnung für sich gefunden hat, bei seinen Verwandten wohnen und
Weihnachten mit ihnen verbringen. Wenn es jetzt noch gelänge, seinem ehemaligen
Fußballverein erfolgreich einen einzuschenken und er den süßen Laurin Peters bekäme,
würde dies sein Glück komplettieren.
Doch bevor sich sein Liebesglück entscheiden sollte,
erwartete den Ex-Münchener eine andere Überraschung, die ‚Hausaufgabe‘, welche
Raffi den Journalisten mitgegeben hatte trug bereits erste Früchte, wie
Internet und Fernsehen deutlich bewiesen.
„Guckt mal, wer morgen auf der Titelseite der Blödzeitung zu
sehen sein wird. Der Schweini hat dich offensichtlich noch in guter
Erinnerung“, verkündete Laurin grinsend und zeigte Markus und Raphael den
Artikel auf seinem Laptop.
„Kein Wunder, er hat im Training jeden Zweikampf gegen mich
verloren“, schwelgte der 1,78 Meter große ehemalige Mittelstürmer in
Erinnerungen, während er den kurzen Bericht las.
„Ich wette, dem Unsinn geht der Arsch gerade auf Grundeis“,
tippte Raphael grinsend, bevor er und Johannes kurz anderweitig beschäftigt
waren, weil sich ihre Zungen miteinander verknoteten. Markus wollte Laurin
gerade einen Kuss auf die Wange geben, als er davon abgehalten wurde, weil
ausgerechnet in diesem Augenblick sein Handy klingelte und eine ihm aus alten
Zeiten vertraute Münchener Nummer im Smartphonedisplay erschien.
„Wenn man von Teufel
spricht“, stellte er trocken fest und gab unseren Freunden ein Zeichen leise zu
sein, bevor er das Gespräch annahm und auf Lautsprecher stellte:
„Senner, grüß Gott?“
„Grüß Gott Herr Senner, Unsinn hier. I wollt mi mol erkundigen
wieas Iahna so geht.“
„Guat geht’s. Aber woars des? I hob nämlich groad wos
Wichtigeres zum tuan“, antwortete er grinsend und trennte die Leitung. „Wetten
der ruft gleich wieder an?“ Markus hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen,
als sein Smartphone erneut Alarm schlug.
„Unsinn noch mol. Mir san groad getrennt worn.“
„Ja, ich weiß, das war auch so beabsichtigt, weil ich nicht wüsste, was wir noch zu besprechen hätten.“ Wieder trennte er die Verbindung,
doch diesmal drückte er dem ungläubig dreinschauenden Laurin erst noch einen
Kuss auf die Lippen und flüstere ihm ein schnelles: „Ich mag dich Süßer“ ins
Ohr, bevor sein Handy zum dritten mal klingelte.
„HERR UNSINN! Wollen Sie mich jetzt stalken, oder was?“,
bellte der Zwanzigjährige in die Leitung, noch bevor sein Gesprächspartner
einen Ton gesagt hatte.
„Mei, jetzt seins doch vernünftig Senner – des woar doch
alles bloß a blödes Missverständnis damols“, versuchte sich der FCB-Präsident
rauszuwinden.
„Ja natürlich war es das. Ich war ja auch nur
Juniorennationalspieler und der beste U-17 Spieler im Bayerndress. Leider hatte
ich damals nicht den Mut, an die Öffentlichkeit zu gehen, als sie mich eiskalt
geschasst haben, bloß weil ich schwul bin.“
„Jo mei, darüber hätt mer doch reden kenna.“ Unsinns Stimme
war deutlich anzuhören, dass ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Doch diesmal
wollte Markus sich nicht wieder klein machen lassen, den Fehler hatte er einmal
gemacht, weil er einfach zu geschockt war über die Bilder aus dem P1.
„Reden? Sie waren es doch, der mich vor mehr als vier Jahren
abgefertigt hat wie schmutzige Wäsche. Und Sie waren es auch, dem ich es zu
verdanken habe, dass ich kein Profifußballer geworden bin.“ Unsere vier Freunde
grinsten sich einen Wolf, während Markus den Präsidenten des großen FCB wie
einen dummen Schuljungen abfertigte. Der Zwanzigjährige hatte deutlich
Oberwasser und dies ließ er seinen Gesprächspartner auch deutlich spüren, als
er langsam einlenkte: „So Herr Unsinn, nachdem sie jetzt am eigenen Leib
erfahren haben, was Sie mir damals angetan haben, mache ich Ihnen ein Angebot,
wie wir die Sache gemeinsam aus der Welt schaffen können.“ An dieser Stelle
unterbrach er kurz, zog Laurins Kopf zu sich heran und gab ihm einen kurzen
Zungenkuss. „Ich hab dich lieb Süßer“, flüsterte er ihm diesmal noch schnell
ins Ohr, bevor er durch den Bayernpräsidenten ins Gespräch zurückgeholt wurde.
„Und wos verlangens?“, fragte er kleinlaut.
„Sie werden sich morgen Abend, im ‚Schützenhof‘ Jever, das
ist oben in Niedersachsen, öffentlich vor Pressevertretern bei mir
entschuldigen. Außerdem werden Sie dort ein für alle Mal klarstellen, dass ich
nicht krank war und den Verein auch nicht freiwillig verlassen habe. Und weil
Sie ja so ein großes Herz haben, werden Sie 250.000 Euro Abfindung an mich
bezahlen. Einen Scheck über 125.000 Euro bringen Sie morgen mit und den Rest
dürfen Sie mir im Januar auf mein Girokonto überweisen. Wenn Sie damit
einverstanden sind, ist die Sache aus der Welt geschafft. Wenn nicht, geht der
Medienrummel weiter und alle Welt erfährt, dass der große FCB einem
Jugendspieler seine sportliche Karriere versaut hat, bloß weil er schwul ist.
Sind wir uns einig?“
*****
„500.000 Euro, man muss der verzweifelt sein, dass er den
Betrag sogar noch freiwillig verdoppelt hat“, brabbelte Laurin munter drauf
los, während er sich in Markus‘ graugrünen Augen verlor. Doch der grinste nur
megabreit vor sich hin und schien irgendwie mit seinen Gedanken ganz woanders
zu sein.
„Du Laurin? Ich hoffe – ich war nicht zu forsch, mit dem was
ich dir vorhin gesagt hab“, stammelte der frisch verliebte nervös vor sich hin.
Je länger er Laurin ansah, umso besser gefiel ihm dieser junge Mann. Die
Schmetterlinge in seinem Bauch vermehrten sich fast schon in
Schallgeschwindigkeit und sein Herz versuchte auch einen neuen Weltrekord
aufzustellen.
„Öhm sag mal Markus – hast du nicht irgendwas vergessen“,
versuchte Raffi seinen Cousin ein wenig abzulenken.
„Ach stimmt ja – gibst du mir mal bitte eben die Tasche
rüber?“, fragte der Zwanzigjährige seinen Cousin, bevor es an die Zimmertür
klopfte und Ergün Özil den Raum betrat.
„Überrasch…!“ Weiter kam er nicht, weil er dann schon die
Zunge seines Freundes Malte im Mund stecken hatte, der ihm sofort an den Hals
gesprungen war.
„Na dann sind wir ja endlich mal wieder komplett“, stellten
Jo und Raffi schmunzelnd fest, während Markus die gewünschte Tasche entgegen
nahm und sie dem Halbasiaten auf die Bettdecke legte.
„Was Süßes, für den Süßen“, kommentierte er lächelnd als
Laurin mit großen Augen die Schokoladenpackung auspackte.
„Hmm. Lecker. Nugatschoki, die mag ich am liebsten. Aber
woher …?“
„Na ja, den Tipp hab ich von Raffi bekommen, ich wollte dir
unbedingt was mitbringen und für Ringe fand ich es dann doch etwas zu früh!“
„Aber nur
unwesentlich“, entgegnete der Halbasiate kichernd, wodurch alle bis auf Ergün
zu Lachen anfingen.
„Hm – irgendwie kommt es mir gerade so vor, als ob ich etwas
verpasst hätte.“
„Wie dieser süße Kerl hier neben mir schon so treffend sagte,
nur unwesentlich. Moin ich bin der
Markus Senner und komm ab jetzt öfters“, stellte er sich dem Halbtürken jetzt
breit grinsend vor, der sich seinerseits mit ihm bekannt machte.
*****
„Ach ich muss ja unbedingt noch was erledigen,
bevor wir die DVD-Session starten“, stellte Laurin eine halbe Stunde später, in
der sich alle auf den neusten Stand gebracht hatten, kichernd fest. Er langte
neben sich auf das Nachtschränkchen, auf dem ein Glöckchen stand, welches er nahm
und zweimal kurz damit läutete, woraufhin kurze Zeit später, Laurins Eltern ins
Zimmer traten. „Ma, Dad dieser nette junge Mann neben mir ist mein Freund Markus, und bevor ihr etwas
sagt, er ist etwas mehr als vier Jahre älter als ich. Also ist das genauso viel,
wie ihr altersmäßig auseinander seid. Nur damit ihr wisst, warum er ab heute
öfters hier sein wird.“
„Na dann ist ja gut“, stellten Herr und Frau Peters
schmunzelnd fest, bevor sie sich kurz mit dem jungen Mann bekannt machten und
dann wieder ins Wohnzimmer verschwanden. Sie kannten ihren jüngsten Sohn, nicht
umsonst hatten sie ihn, wie auch seine beiden älteren Brüder, schon früh zur
Selbstständigkeit erzogen. Deshalb hatte sie ihm auch bisher nie in die Wahl
seiner Freunde hineingeredet und waren bisher immer gut damit gefahren. Und
wenn dieser Markus ab sofort öfters bei ihm ist, dann wird sich automatisch irgendwann
eine Gelegenheit ergeben den jungen Mann, in den ihr Laurin sich verliebt
hatte, genauer kennenzulernen. Der erste Eindruck, den er bei ihnen hinterließ,
war auf jeden Fall ein sehr positiver.
*****
Irgendwie fühlte Laurin sich gerade wie in einem Traum,
einem ‚rosa Zuckerwattetraum‘. Er lag hier mit diesem unfassbar tollen jungen
Mann auf dem Bett und sie kuschelten und knutschten miteinander rum, als würden
sie sich schon seit Ewigkeiten kennen. Wie lange hatte er vorher regelrecht
darum kämpfen müssen, bis es zwischen Aaron und ihm zu etwas mehr gekommen war.
Und dann tauchte wie aus dem Nichts Markus Senner im Gefolge von Jo, Raffi und
Malte auf. Sie hatten sich nur ganz kurz direkt in die Augen gesehen und Amor konnte
zwei Volltreffer in ihre Herzen verbuchen.
„Du bist richtig süß, ich könnte noch stundenlang hier so
mit dir rumliegen, dich einfach nur ansehen, deine Nähe fühlen und dich
abschlecken, wie ein Stieleis“, flüsterte Laurin Markus kichernd ins Ohr und
seine dunkelbraunen Augen funkelten grün-golden dabei, was sie übrigens immer
dann taten, wenn der Halbasiate sich besonders glücklich fühlte.
„Du bist auch total megasüß, aber irgendwann wirst du mich
heute leider doch loslassen müssen – ich kann ja schlecht gleich in der ersten
Nacht bei dir bleiben, was sollen deine Eltern sonst von mir denken“, flüsterte
Markus, mit einem leisen Seufzer zurück. Denn eigentlich würde er schon ganz
gerne mit Laurin im Arm aufwachen wollen.
„Ich glaubs ja nicht – habt Ihr etwa vergessen dem Markus zu
sagen, dass heute bei mir übernachtet wird?“
„Uuups – ach übrigens Markus, wir übernachten heute alle
beim Laurin!“, haute dessen Cousin Raphael schmunzelnd raus.
„Danke, dass ich das auch schon erfahre, Cousin“, kam es postwendend, mit einem
Grinsen zurück.
„Oh bitte sehr Cousin
– dafür nicht – immer wieder gerne!“, legte der sechzehnjährige Blondschopf
noch nach und wandte sich dann wieder wichtigeren Dingen zu. Denn Johannes‘ und
seine Lippen hatten jetzt seit mindestens zehn Minuten keinen Kontakt mehr miteinander
gehabt.
„Raffi hats heute anscheinend mal wieder stärker wa?“, haute
Ergün noch schmunzelnd heraus, bevor der Zungenringkampf zwischen ihm und Malte
in die nächste Runde ging.
*****
Wohlige Müdigkeit breitete sich langsam in Markus‘ Körper
aus, während der erste Teil, von ‚Harry Potter und die Heiligtümer des Todes‘,
in seine spannendste Phase trat. Es fiel ihm immer schwerer seine Augen offen
zu halten und sich auf das Geschehen, auf dem großen 16:9 Flachbildfernseher zu
konzentrieren. Und kurz vor Schluss als Lord Voldemort, den Elderstab in Händen
hielt, fielen sie im endgültig zu und der Zwanzigjährige sank in einen tiefen
Schlaf hinüber, aus dem er erst mitten in der Nacht wieder erwachte.
„Hui, hab ich dich etwa geweckt?“, fragte der Halbasiate
leise vor sich hin kichernd.
„Hm? Nein, das war nicht deine Schuld“, antwortete Markus
leise.
„Du brauchst nich‘ zu flüstern, wir sind alleine“,
entgegnete der Halbasiate kichernd, dann beugte er sich vorsichtig zu dem
jungen Bayern herüber schaute ihm verliebt in die Augen und drückte ihm einen
Kuss auf die Lippen.
„Wieso sind wir alleine und wieso bist du wach, wie spät ist
es überhaupt?“
„Also alleine sind wir – weil Malte, Ergün, Raffi und Jo
heute Nacht unbedingt noch das machen wollten, was verliebte Paare halt so tun
und uns nicht damit stören wollten. Wach bin ich, weil ich gerade noch mal dringend
für kleine Laurins musste und es ist 2:30 Uhr“, beantwortete er die Fragen und
ließ kurz darauf seine Zunge in Markus‘ Mundraum eindringen, woraus sich eine
kleine, heiße Knutscherei entwickelte, die bei beiden nicht ohne Folgen blieb.
„Uuups – ich glaub jetzt muss ich mal aufs Klo“, sagte
Markus‘ mit tiefroten Ohren.
„Hi, hi, süüüüß. Also ausm Zimmer raus und dann die zweite
Tür links, die erste ist unser Gästezimmer“, erklärte Laurin kichernd und
schaltete seine Nachtischleuchte ein.
„Öhm wieso bin ich eigentlich nackig?“, lautete die Frage
des jungen Mannes, als er die Bettdecke beiseite schlug und bemerkte, dass er
nicht mal mehr seine Boxershorts trug.
„Naja, ich wollte
halt nicht die Katze im Sack kaufen!“, begann Laurin kichernd, „Ne kleiner
Scherz. Hi, hi. Du hast vorhin so fest geschlafen und naja ich wollte nicht,
dass du mit deinen Anziehsachen im Bett liegst“, brabbelte der Halbasiate
munter weiter. „Du brauchst dir jetzt nix extra anziehen, meine Eltern haben
ihr Schlafzimmer unten“, haute der Kleine munter raus, als der Zwanzigjährige
sich seine Undies greifen wollte.
„Was solls, du hast mich ja eh schon so gesehen“, gab sich
der junge Mann geschlagen und ging schmunzelnd aus dem Zimmer. ‚Was soll das
noch werden mit uns‘, dachte er schmunzelnd, bevor er wenig später auf der
Gästetoilette fünf gegen Willi spielte und zehn Minuten später erleichtert in
das Zimmer seines Freundes zurückkehrte, der ihm mit leuchtenden Augen entgegen
strahlte.
„Ich möchte morgen früh meinen ersten Wohnsitz hier
anmelden, würdest du mich dann begleiten?“, fragte Markus leise während sie
miteinander kuschelten.
„Sehr gerne und hinterher gehen wir ein bisschen in den
Schlosspark“, schlug Laurin gähnend vor. Danach besiegelten sie die Sache noch
mit einem Zungenkuss und schliefen zufrieden ein.
und nu? wann gehts weiter?
AntwortenLöschenMorgen. Das ist versprochen.
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