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Montag, 22. April 2013

Eigentor?! 8

Kapitel 7: Dumm gelaufen!


Es blieb auch weiterhin ruhig in der friesischen Kreisstadt, selbst wenn die täglich bei der Polizei eingehenden Hinweise, wo der immer noch flüchtige Björn Henseleit angeblich überall gesehen wurde, mittlerweile einen ganzen Aktenordner füllten, führte jedoch keiner zu dessen Ergreifung. Mittlerweile war der 19.12.2012 angebrochen und die Zeit schien auch weiterhin munter gegen Justitias uniformierte Zulieferer zu laufen. Dies wirkte sich besonders auf Malte negativ aus, den sein Stiefbruder jetzt sogar bis in seine Träume hinein verfolgte. Wo er ihn ähnlich wie Freddy Kruger, aus der A Nightmare on Elmstreet Filmreihe, in düsterste Albträume hineinzog, um ihn dort durch finstere, unwirtliche Landschaften zu jagen. Und ihm zuletzt, wenn er sich in Sicherheit glaubte, mit einem Klingenhandschuh, kalt lächelnd, bei lebendigem Leib den Bauch aufschlitzte, seine Gedärme herausriss, um ihn damit zu erdrosseln.

*****

„Scheiße – ich glaub wirklich – ich werde langsam verrückt!“, grummelte Malte leise vor sich hin, als er gegen 5:00 Uhr morgens schweißgebadet und mit rasenden Puls und Herzschlag aus dem Schlaf hochfuhr.

„Hmm, was? Was ’n los? Haste wieder von Björn geträumt?“, brümmelte Johannes Selders, neben ihm liegend, verschlafen vor sich hin. Seit Malte zum ersten Mal diese Albträume plagten, hatten unsere Freunde ausgemacht, dass der Rothaarige, wenn sie bei Johannes oder Raphael übernachten, in ihren Betten mitschlafen darf, weil ihre Lagerstätten breit genug dafür sind. Dies galt jedenfalls immer, wenn Ergün nicht mit von der Partie war. Denn der musste jetzt, in den letzten Tagen vor Weihnachten, jeden Abend im elterlichen Restaurant als Aushilfskellner mithelfen. Es war jetzt vier Nächte lang gut gegangen und der Sechzehnjährige hatte wie seine gleichaltrigen Freunde angstfrei und ruhig schlafen können. Doch am gestrigen Dienstag gab es einen neuen Shitstorm mit massivsten Drohungen, auf der Facebook-Seite des FSV, deren Urheber eindeutig Björn Henseleit war. Und diesmal waren auch ihre Namen und Bilder veröffentlicht worden, mit dem Hinweis, dass ihre Schwuchtelköpfe spätestens am 21.12. rollen würden.

Gott sei Dank hatte es keine zwei Stunden gedauert, die Facebook-Seite zu sperren und auf der vereinseigenen Homepage das Gästebuch zu deaktivieren. Aber jetzt lagen die Nerven unserer drei Freunde endgültig blank und sie bekamen auf ärztliche Anordnung, ein leichtes Beruhigungsmittel und etwas als Einschlafhilfe verschrieben. Auch wurden sie, dank der Kontakte von Hauptwachtmeister Selders, jetzt von einem Polizeipsychologen betreut, was zumindest bei Jo und Raffi einigermaßen funktionierte und ihnen, trotz der inneren Anspannung, wenigstens einen halbwegs ruhigen Schlaf verschaffte.

„Hey, jetzt beruhig dich erst mal – wir sind hier absolut sicher, der kommt hier garantiert nicht rein.“ Johannes wusste genau, dass das jetzt leichter gesagt als getan war, aber was sollte er dem gleichaltrigen Schulfreund und Teamkameraden anderes sagen.

„Beruhigen? Pah – wir sitzen hier wie in einem Hochsicherheitstrakt fest, weil irgendwo da draußen mein bekloppter Stiefbruder frei rumläuft und du sagst, ich soll mich beruhigen?“, stammelte Gruber unter Tränen. Er fühlte sich wie ein Gefangener, weil er außer innerhalb des Hauses nirgends mehr alleine hin durfte, ohne einen der Zivilbeamten an seinem Hintern kleben zu haben.

Okay, das mussten Raffi, der jetzt ebenfalls aufgewacht war und Jo eingestehen, sie waren Gefangene im eigenen Haus, auch wenn ihre Zimmertüren nicht abgesperrt waren. Auch sie sehnten sich danach endlich wieder tun und lassen zu können, was sie wollten und woran sie Spaß hatten, ohne dass jeder ihrer Schritte überwacht wurde.

Irgendwann schafften sie es dennoch Malte wieder zu beruhigen und sie schliefen sogar noch einmal ein.

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Etwa zeitgleich - lieferte sich auf der B-210 ein, als gestohlen gemeldeter, weißer 3er-BMW, mit Wilhelmshavener Kennzeichen, eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei. Das Fahrzeug war den deutschen Behörden kurz hinter der niederländischen Grenze aufgefallen, weil es sich einer routinemäßigen Verkehrskontrolle, durch Flucht entzogen hatte.

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Raffi, Jo und Malte wollten es erst nicht glauben, als Ragnar Lohmann irgendwann nachmittags in Laurins Zimmer trat, wo sich die drei Jugendlichen mit Ergün und Laurin gerade den ersten Teil von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes auf DVD anschauten. „Jungs, ihr dürft euch ab sofort wieder frei bewegen. Björn Henseleit wurde heute früh in einem gestohlenen Auto aufgegriffen und in Polizeigewahrsam genommen.“

„Na klar Ragnar und Lord Voldemort ist mein Großonkel“, haute Malte ungläubig raus. Denn wenn das wirklich stimmen sollte, warum wurden sie erst jetzt darüber informiert?

„Dann hast du aber einen echt hässlichen Verwandten“, hielt der 24jährige dagegen, weil ‚der – dessen Name nicht genannt werden darf‘ gerade in Großaufnahme zu sehen war. „Nein ernsthaft - Björn und zwei weitere Personen wurden heute in einem gestohlenen PKW festgenommen. Naja er hat jetzt eine Glatze und einen Dreitagebart, deshalb haben ihn die Kollegen nicht sofort erkannt und dann der Umstand, dass er keine Papiere bei sich hatte und völlig breitgekifft war. Da hat es leider etwas länger gedauert – ihn eindeutig zu identifizieren.“

„Du versuchst uns zu erheitern – indem du uns verkohlst. Nicht einmal ein Björn Henseleit dürfte so unglaublich dumm sein!“ Sicher, sie wussten ja schon länger, dass der fast Volljährige kein Geistesriese ist, aber dass was sie da jetzt von Ragnar erzählt bekamen, konnten nicht einmal Johannes, Raphael und Ergün glauben.

„Glaubt es ihm ruhig, ich hab Björn selbst vorhin bei einer Gegenüberstellung gesehen“, erklärte der niedergeschlagen wirkende Werner Henseleit, als er zu den Jugendlichen ins Zimmer trat.

„Tja – dumm gelaufen!“ Das war der einzige Kommentar, den Ergün Özil von sich gab, bevor er sich aus der Runde verabschiedete, weil er leider los musste, um pünktlich zum Dienstbeginn im Restaurant der Eltern zu erscheinen. „Morgen und übermorgen hab ich frei Schatz, dann bleib ich auch mal wieder über Nacht bei dir“, versprach er noch, bevor er Malte ein letztes Mal küsste, um dann endgültig zu gehen.

*****

Nur langsam begriffen unsere drei Freunde, dass der Spuk wirklich vorbei und Björn gefasst war. Es lief ihnen noch ein letztes Mal eisigkalt den Rücken herunter, als der 24jährige ihnen verriet, was die Fahnder außer einem Kilogramm Marihuana noch im Kofferraum gefunden hatten. Denn in einem alten Seesack der Bundesmarine versteckt, war eine abgesägte Pumpgun samt Munition passenden Kalibers sichergestellt worden.

„Oh Mann ey, der wollte euch wirklich die Birnen wegpusten“, stellte der Halbasiate mit weit aufgerissenen Augen fest, bevor sie sich mit Tränen füllten und seinen Blick verschleierten. Jo, Raffi und Malte mussten mehrfach schwer schlucken und letzterer suchte Halt bei seinem Stiefvater Werner.

„Und er zeigte nicht den geringsten Funken von Reue. Der Hass in seinen Augen, als er mich erkannte, war wie ein Messerstich direkt ins Herz für mich“, stammelte Henseleit leise und presste seinen Stiefsohn ganz fest an sich. In den nächsten Minuten flossen nicht nur bei den beiden Tränen. Denn auch Johannes und Raphael war in diesem Augenblick klar geworden, dass sie wahrscheinlich bereits heute hätten sterben sollen.

Warum sonst hätte Björn das Risiko dieser Fahrt unter Drogeneinfluss auf sich nehmen wollen? Warum hatte er überhaupt so viel Hass auf sie entwickeln können? War es am Ende wirklich nur deshalb, weil sie als Homosexuelle von der gesellschaftlichen Norm abwichen? Oder war da auch der Neid auf ihre schulischen und sportlichen Erfolge im Spiel?

*****

„Was ist denn mit euch los – ist jemand gestorben?“, fragte Aaron Lange als er nach dem Ende seiner heutigen Sitzung bei Laurin ins Zimmer trat und in die immer noch roten Augen seiner Freunde blickte, die sich gerade wieder einigermaßen beruhigt hatten. Der Sechzehnjährige hatte ja noch keine Ahnung von dem, was seine drei Freunde vor wenigen Minuten erst erfahren hatten.

„Nein – aber Björn Henseleit wollte Jo, Raffi und Malte heute umbringen“, wimmerte Laurin schniefend vor sich hin.

„Heilige Scheiße Jungs, s – s – so war das jetzt nicht gemeint“, stotterte Aaron verlegen. Er wusste zwar dass seine drei Freunde und Schulkameraden seit kurzem unter Polizeischutz standen, aber über den Grund dafür gab es bisher nur Gerüchte.

„Konntest du ja nich‘ wissen – komm setz‘ dich zu mir“, bat Laurin und klopfte neben sich auf die Bettdecke. In den nächsten Minuten erzählten Johannes, Raphael und Malte alles, was sich seit dem Tag vor dem großen Pokalspiel ereignet hatte. Einiges davon hatte der Sechzehnjährige ja schon mitbekommen, aber die Dinge, die im Zusammenhang mit Björn Henseleits plötzlichem Verschwinden standen, waren für den Jugendlichen völlig neu.

„Jetzt verstehen Sie eventuell auch, warum wir davon so wenig wie irgendwie möglich an die Öffentlichkeit haben dringen lassen“, ergänzte Ragnar Lohmann, die Ausführungen der Jugendlichen.

„Oh ja – jetzt ist mir einiges klarer geworden. Bei dem, was ihr alles in so kurzer Zeit durchgemacht habt, muss ich euch ja noch dankbarer sein, dass und wie ihr mir geholfen habt“, bestätigte Aaron leise, bevor sie sich für ein paar Minuten mit ihren Gedanken in sich zurückzogen.

„Die Post ist daaa. Danke sehr – eiskaltes Händchen!“, unterbrach eine weibliche Stimme aus Ragnars iPhone die allgemeine Stille, worüber besonders Johannes schmunzeln konnte. Vor drei Jahren hatten sein Cousin und er sich die ursprünglich in den 60er Jahren produzierte schwarz/weiß Serie ‘The Addams Family‘, die in den 90er Jahren erneut das Fernsehen und dann auch die Kinos eroberte, während der Sommerferien auf VHS Kassetten angeschaut, die Oliver von dessen, im November 2006, verstorbenem Vater geerbt hatte.

„Jede Wette, den Sound haste von Livi“, haute der grünäugige Teenager trocken raus. Der Zivilbeamte hörte bloß den Namen Livi und nestelte mit roten Ohren sein iPhone aus der Hosentasche, öffnete die SMS und beantwortete die Frage mit einem Lächeln auf den Lippen:

„Gewonnen. Oliver lässt nachfragen, ob ihr Drei Lust habt den heutigen Abend mit uns zu verbringen.“

„Oh, das kommt überraschend, wir heute wollten eigentlich mit Laurin ‘nen DVD-Abend machen …“

„Ach was geht ruhig mit, Aaron ist ja hier. Die Filme laufen uns nicht weg und wir sehen uns ja eh morgen alle wieder hier“, fuhr der Halbasiate Malte lächelnd in die Parade und ließ keine weiteren Widerworte zu, sodass unseren Freunden nichts anderes übrig blieb, als dieser Einladung zu folgen und ihre neue Freiheit zu genießen.

*****

„Du Laurin, ich muss noch mal mit dir reden“, begann Aaron, nachdem sie alleine waren, und griff die rechte Hand seines besten Freundes. „Du bist für mich viel mehr, als nur der nette Junge von nebenan und das weißt du auch. Ich hab lange und viel über uns nachgedacht in den letzten Tagen und du musst mir glauben, dass ich dich wirklich lieb hab.“ Der kleine Halbasiate wusste genau, was jetzt kommen würde, denn schließlich verstanden sie sich auch ohne Worte. Ja sie haben sich lieb und es war total schön, als sie vorgestern ein bisschen miteinander rumgemacht hatten. Aber irgendwie hatte er dadurch begriffen, dass es nicht gut für ihre innige Freundschaft wäre, wenn sie als Paar zusammenkommen.

„Aaron mir ist klar geworden, dass aus uns nie wirklich ein richtiges Paar werden kann, wie es zum Beispiel Jo und Raffi oder Ergün und Malte sind. Klar das wäre supertoll, wenn das ginge, aber es würde unsere Freundschaft kaputtmachen. Wir haben uns doch auch so, und wenn wir so wie vorgestern – Lust aufeinander bekommen – dann machen wir es eben.“ Es fiel Laurin ganz bestimmt nicht leicht das zu sagen, aber letzten Endes waren ihm ihre Freundschaft und die geistige Verbindung viel wichtiger.

„Genau das wollte ich auch sagen – Wort für Wort“, hauchte der 1,87 Meter große Sechzehnjährige, seinem Freund mit bebender Stimme entgegen, bevor er sich zu ihm runterbeugte, ihre Augen sich schlossen und ihre Lippen sich fanden.

Ja, sie hatten sich auch so – und es fühlte sich richtig gut an, wenn ihre Lippen und Zungen zärtlich miteinander spielten. Sie waren sich einig und sie waren eins.

Wenn sie die körperliche Nähe des anderen und mehr wünschten, dann bekamen sie diese auch. Für Laurin erfüllte sich durch diesen Kompromiss ein Wunsch, den er schon länger hatte, Aaron küssen und streicheln zu dürfen war für ihn der Himmel auf Erden. Und sobald er wieder richtig gesund wäre, dies hatte sein Freund ihm fest versprochen, würden sie auch den nächsten Schritt wagen und darüber freute sich der kleine Halbasiate besonders.

„Ich werde es – auch wenn ich dich noch so sehr lieb hab, wohl niemals schaffen mich dir so hinzugeben, wie du dich mir“, hatte der Sechzehnjährige ihm unter Tränen gestanden. Doch das war Laurin völlig egal, für ihn zählte nur, dass sein bester Freund überhaupt dazu bereit war, mehr als nur das Kopfkissen mit ihm zu teilen, nachdem was dieser unter Gewalteinsatz alles durchlebt hatte.

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Es fühlte sich seltsam für unsere Freunde an, einerseits war da ein Gefühl von Erleichterung, weil Björn endlich gefasst worden war und diesmal garantiert nicht ungeschoren davonkommen wird. Andererseits war da aber immer noch dieses beklemmende Gefühl, weil sie wussten, dass der fast Achtzehnjährige bereit gewesen war, sie zu töten.

„Ihr könnt es drehen und wenden, wie ihr wollt“, stellte Oliver nach einer guten Stunde fest, in der sie noch einmal über alles gesprochen hatten, „zumindest für mich hatte die Sache auch ihr Gutes“, er ergriff die Hand seines Freundes und sah ihm verliebt in die Augen, „denn ich habe Ragnar ja nur kennenlernen können, weil ihr Polizeischutz brauchtet.“ Damit hatte der Neunzehnjährige allerdings recht.

„Stimmt auch wieder Cousin und ich freu mich für dich – äh euch“, bestätigte Johannes lächelnd.

„Lasst uns bitte das Thema wechseln“, bat Malte mit einem gequälten Lächeln. Er wollte wenigstens jetzt nicht mehr darüber nachdenken müssen. Denn solange sein Stiefbruder Björn nicht rechtskräftig verurteilt war, würde ihn dieses Thema, auch bei sich daheim, logischerweise noch öfter verfolgen.

„Recht hast du Malte – was haltet ihr von der Idee, wenn wir nächstes Jahr alle zusammen den CSD in Köln besuchen?“, fragte Ragnar in die Runde, der die drei Jugendlichen, trotz des Altersunterschiedes von acht Jahren, mittlerweile als Freunde ansah. Schließlich war es ja Johannes Selders, der ihn durch seine Fürsprache davon überzeugte, mit Oliver auszugehen und dadurch geholfen hat, mit dem süßen jungen Mann an seiner rechten Seite zusammengekommen ist.

„Die Idee ist cool – richtig cool. Davon könnten wir doch sogar eine tolle Aktion mit unserer Mannschaft machen. Weil – das ist doch für Schwule, Lesben und ihre Freunde oder?“, fragte Malte begeistert. Woraufhin Jo und Raffi sofort begeistert einstigen und kurzerhand beschlossen die Idee, bei der Kölner Schwulenparade am 07. 07. 2013 aktiv mitzulaufen, im Rahmen ihrer Weihnachtsfeier auf den ‚Gabentisch‘ zu bringen.

„Tja – dumm gelaufen Schatzi – sie sind mit Leib und Seele Fußballer. Die denken immer gleich in ganz anderen Dimensionen“, unterstützte Oliver die Idee begeistert und sah sich im Geiste schon, als Cheerleaderin verkleidet, zwischen den B-Jugendspielern des FSV auf- und abhüpfend mitlaufen.

*****

Während die Stimmung in Sande immer ausgelassener wurde, weil sich die innere Anspannung, der letzten Tage und Wochen durch die Festnahme von Björn Henseleit, immer mehr löste, erreichte die Stimmung bei Aaron und Laurin ein ganz anderes Niveau.

Es knisterte und funkte immer intensiver zwischen ihnen. Und dies, obwohl der etwas Ältere der beiden Jungs doch eigentlich bisher immer das gewesen war, was man salopp ausgedrückt als Hühnerflachleger bezeichnete. Der Sex mit Männern hatte ihm bisher nichts bedeutet und war alles andere als eine schöne Erfahrung für ihn gewesen. Jetzt waren seine Freier allerdings auch stets wesentlich älter gewesen und so kam es nicht selten vor, dass er sie sich regelrecht schön saufen musste und auch andere Hilfsmittel wie Poppers und Viagra benötigte, um, wie der Volksmund sagt, seinen Mann ‚stehen‘ zu können. Wie oft hatte er hinterher heulend wach gelegen oder sich sogar übergeben müssen. Nein – unter Zwang wollte er nie wieder etwas tun müssen.

Mit Laurin Peters dagegen war es so völlig anders. Ihn hatte er wegen seiner natürlichen, fröhlichen Art schon immer besonders gemocht. Auch wenn er sich eine sexuelle Beziehung mit diesem feminin wirkenden jungen Mann bisher niemals vorstellen konnte, hatte er sich, auch wenn Aaron es niemals öffentlich zugeben würde, immer mehr in ihn verliebt.

„Es wird niemals einen anderen Jungen für mich geben als dich“, versprach der Sechzehnjährige dem etwas jüngeren Freund in einer Knutschpause, „aber ich bin nicht sicher, ob ich mich nicht irgendwann wieder in ein Mädchen verliebe.“ Laurin nickte seinem Freund zu, dieser war nun einmal bisexuell und so etwas wie eine Garantie, auf lebenslanges Glück miteinander, gab es noch nicht einmal bei Heterosexuellen. Alleine in seiner Klasse, gab es vier Scheidungswaisen unter den Mitschülern und zwei die ihren Erzeuger nicht einmal kannten. Also warum sich darüber jetzt schon den Kopf zerbrechen, was irgendwann einmal sein wird. Dass er für Aaron der einzige Junge bleiben sollte, empfand er als Kompliment und dies sagte er ihm auch:

„Das hast du gerade total süß gesagt, aber lass uns jetzt nicht mehr darüber nachdenken.“ Erneut trafen sich ihre Lippen und Zungen, nur diesmal wollte Laurin noch etwas mehr, deshalb schickte er seine Hände langsam auf dem, recht muskulösen, Oberkörper seines Freundes auf die Reise.

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„Malte – wenn du möchtest, dann kannst du trotz allem heute Nacht bei uns bleiben“, boten Raffi und Jo dem gleichaltrigen Freund an, als sie mitbekamen, dass er auf der Rückfahrt seltsam still und in sich gekehrt wirkte.

„Danke“, nuschelte der Angesprochene leise und wischte sich Tränen aus den Augen. Was war nur plötzlich los mit ihm, eigentlich müsste er doch froh darüber sein, dass ihr Leben sich endlich wieder normalisiert. Björn Henseleit saß hinter Schloss und Riegel und da wird er diesmal auch garantiert so schnell nicht wieder rauskommen. Dennoch hatte die ganze Sache besonders für den sechzehnjährigen Rotschopf und dessen Familie einen faden Beigeschmack, der leider nicht so schnell verschwinden wird.

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„Was würde ich jetzt dafür geben, einmal richtig duschen zu können. Es kommt mir so vor, als würde ich stinken – wie ein Pandabärchen“, sinnierte der Halbasiate, während Aaron und er, so gut es mit dem blöden Verband eben ging, unter Laurins Bettdecke miteinander kuschelten. Durch die gebrochenen Rippen war ja seit Wochen nichts anderes als diese blöde Katzenwäsche möglich gewesen und dies reichte dem fast Sechzehnjährigen einfach nicht mehr aus. Er wollte endlich auch mal wieder das Gefühl haben gut zu riechen.

„Pandabärchen? Ich würde eher sagen – wie ein ausgewachsener Puma“, witzelte Aaron Lange und verschloss die Lippen des Halbasiaten mit einem Kuss. Der biss ihm allerdings gespielt beleidigt in die Lippe.

„Hey – sei nich‘ so frech zu mir Aaron Lange oder soll ich dir beim nächsten Mal was abbeißen?“, drohte der kleine Halbasiate zwinkernd.

„Ne du – besser nich‘, schließlich brauchen wir den noch“, nuschelte der Gefragte schmunzelnd vor sich hin, weil er eine Idee hatte, wie sich dieses Hygieneproblem eventuell lösen ließe. Als er damals vor vier Jahren das gebrochene Handgelenk hatte, hatte er einfach einen Frischhaltebeutel, mit einem Gummiband, über den Gips gemacht, wenn er duschen wollte. „Aber sag mal, habt ihr Frischhaltefolie?“

„Klar – unten in der Küche – warum?“ Aaron sprang kurzerhand aus dem Bett, zog sich schnell was an, splitternackt wollte er dann doch nicht unbedingt von Laurins Eltern gesehen werden und verließ das Zimmer, in dem er einen kleinen Halbasiaten, mit riesigen Fragezeichen in den Augen, zurückließ.

„Gleich wird geduscht“, verkündete der 1,90 Meter große, blonde Teenager, Minuten später vollmundig und präsentierte seinem etwas jüngeren Freund gleich zwei Rollen Frischhaltefolie, die er organisiert hatte. Klar, Laurins Ma hatte genauso sparsam geguckt, wie er jetzt. Aber nachdem Aaron kurz erklärt hatte, wofür die elastische Folie benötigt wird, händigte Akemi Peters, dem blauäugigen jungen Mann, die gewünschten Haushaltsmaterialien lächelnd aus.

„Steh mal bitte auf und nimm die Arme nach oben“, forderte der Gymnasiast seinen Schulkameraden, ehemaligen Nachbarn und Freund auf.

„Öhm gut – und jetzt?“, fragte der splitternackige Halbasiate wenig später.

„Jetzt werde ich deinen Verband mit der Folie so umwickeln – dass da garantiert kein Wasser rankommt, wenn wir gleich unter der Dusche stehen.“ Dieser Gedanke gefiel dem Halbasiaten zusehends gut, denn kaum hatte Aaron das letzte Wort ausgesprochen, als bei beiden besonders unterhalb der Gürtellinie neues Leben in die ‚Bude‘ kam. Anders ausgedrückt – es wurde mal wieder Blut vom Gehirn in andere ‚Regionen‘ gepumpt, die sich sichtbar darüber freuten.

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Im Hause Selders angekommen, hatten unsere jungen Freunde inzwischen ein kleines Gespräch mit Johannes‘ Eltern hinter sich gebracht und sich anschließend in das Zimmer des Teenagers zurückgezogen, wo sie sich alle drei ein Glas Glenmorangie, der noch von Jos sechzehntem Geburtstag übrig geblieben war, mit viel Cola gönnten.

„Wollt ihr wissen, was an der ganzen Scheiße das Schlimmste für mich ist?“, fragte Malte seine Teamkameraden, nachdem er den ersten Schluck genommen hatte. Keine Frage – für Raffi und Jo war längst klar, worauf ihr Freund hinauswollte. Letzten Endes war es schließlich sein Stiefbruder gewesen, der ihnen ihr Leben zur Hölle auf Erden machen und sie zuletzt sogar töten wollte. „Ich kann noch so lange und intensiv darüber nachdenken – aber ich komme einfach nicht dahinter, was der Auslöser für seine totale Veränderung gewesen sein könnte, dass er jetzt sogar zum Äußersten bereit war. Er war früher ganz anders und ich habe ihn wirklich gemocht“, schluchzte er unter Tränen vor sich hin. Die Nerven des Teenagers lagen jetzt vollständig blank. Johannes und Raphael brauchten diesmal viel Zeit und Geduld, bis sie den Gleichaltrigen Freund soweit hatten, dass er wieder ruhiger wurde und sie sich gegen Mitternacht endlich zur Ruhe begeben konnten, obwohl an schlafen noch lange nicht zu denken war.

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„Du bist ein richtig toller Krankenpfleger“, lobte Laurin seinen Freund, nachdem sie fast eine halbe Stunde lang gemeinsam unter der Dusche gestanden hatten. Wo sie sich allerdings nicht ausschließlich um hygienische Belange gekümmert hatten, obwohl der Halbasiate sich hinterher trotz des blöden Verbandes endlich mal wieder richtig sauber fühlte. „Das war ein soooo tolles Gefühl – als das warme Wasser so schön runtergerieselt ist und dann wie du mich eingeseift hast und wie gut ich jetzt dufte. Danke sehr Aaron Lange.“ Der 1,52 Meter große ‚kleine‘ Flügelflitzer bekam sich gar nicht wieder ein, so gut fühlte er sich im Augenblick, während Aaron ihn breit grinsend, mit einem großen Frottierhandtuch, trocken rubbelte. „Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Kassenpatient bin?“, brabbelte er fröhlich weiter.

„Kassenpatient? Und das sagen Sie mir erst jetzt?“, stieg Aaron auf dieses Spielchen des Freundes ein und ließ das Handtuch einfach auf den Boden gleiten. „Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass ich pro Patient, je nach Pflegestufe höchstens 15 Minuten Zeit habe. Das kostet Sie extra!“

„Mist! Das war dann ja wohl ein blitzsauberes Eigentor, dass ich mir da geschossen habe“, nuschelte der Halbasiate mit Blick auf Aarons Körpermitte und musste dabei schwer Schlucken, weil noch jemand anderem, vor lauter ‚Entrüstung‘, nicht nur der 'Kamm' geschwollen war. „Akzeptieren Sie auch Bezahlung in Naturalien oder darf ich meine Schulden bei Ihnen abarbeiten?“, brümmelte er weiter. „Ich hab meine ‚Schwarze AmEx‘ (American-Express-Card) gestern versehentlich im Klo runtergespült.“

„Eigentlich dürfen wir das ja nicht. Aber weil Sie heute der letzte Patient auf meiner Liste sind und weil Sie nach diesem Missgeschick ja noch keine Chance hatten, zur Bank zu kommen, will ich mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Also bedienen Sie sich“, reagierte der Sechzehnjährige huldvoll lächelnd.

„Ach eine Frage hab ich da noch“, zögerte Laurin die abgesprochene Dienstleistung weiter hinaus, „morgen zum Frühstück – wie hättest du deine Eier am liebsten?“

„Ausgeblasen“, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück.

„Ach klar, ich Dummerchen – dass hätte ich mir aber auch wirklich selber denken können“, gab er kichernd zurück.

*****

Im Hause Selders war zwischenzeitlich Ruhe eingekehrt. Um Malte abzulenken, hatten sie sich noch gemeinsam den Film ‚Sommersturm‘ auf DVD angesehen, wobei Malte bereits nach der ersten halben Stunde mehrfach die Augen zugefallen waren. Jetzt lag er dort völlig entspannt zwischen Jo und Raffi im Bett, mit dem Kopf auf der Schulter, des gleichaltrigen, flachsblonden, Teenagers und schlief, den Schlaf der Gerechten.

„Psssst – guck mal, er schläft“, lenkte Raffi den Blick seines Freundes flüsternd auf den Rotschopf.

„Das sollten wir auch langsam, war schließlich ein harter Tag für uns alle“, schlug der dunkelhaarige Sechzehnjährige, leise gähnend vor. Er hätte es zwar noch lieber gehabt, in den Armen seines Freundes einzuschlafen, aber das würden sie ja noch oft genug können. „Gute Nacht Hasi“, wünschte er seinem Freund und warf ihm einen Luftkuss zu, den Raffi noch erwiderte, bevor er das Licht ausmachte, die Augen schloss und sanft in das Land der Träume hinüber sank.

*****

Auch im Hause Peters waren Aaron und Laurin mittlerweile wieder zu kuscheln im Bett übergegangen.

„Das war total lieb von dir, ich fühl mich wie neu geboren“, bedankte sich der Halbasiate zum gefühlten Millionstenmal bei seinem deutschen Freund. Der hatte ihm nämlich nicht nur beim Duschen geholfen, sondern sich auch besonders zärtlich um das halbasiatische Prinzenzepter von Laurin bemüht, nachdem das 39 kg schwere ‚Pandabärchen‘, wie er ihn ab sofort zärtlich nannte, ihm zuvor geholfen hatte endlich seine ‚Verhärtung‘ loszuwerden.

„Na jetzt ist aber langsam mal gut – mein süßes Pandabärchen“, gab der Angesprochene schmunzelnd von sich, bevor sie sich küssten. Irgendwie konnte er immer noch nicht ganz begreifen, dass aus ihrer Freundschaft mehr geworden war. Sicher, der Sex, den er schon mit Mädchen gehabt hatte, war nicht schlecht. Aber was Laurin da vorhin an seinem Penis veranstaltet hatte, war etwas ganz Besonderes für ihn gewesen. Etwas – wovor sich seine Freundinnen immer geziert hatten. Der Halbasiate hatte es so gekonnt gemacht, dass er regelrecht Sterne gesehen hatte, die vor seinen Augen sprühten.

Und es hatte ihm auch Freude gemacht, dem schwarzhaarigen Teenager, dieses Gefühl zurückzugeben, obwohl er sich so etwas vorher niemals hätte vorstellen können, Laurin Peters hatte es mit seiner ganzen Art endgültig geschafft, dass er Aaron Lange Schwule und ihre Bedürfnisse mit völlig anderen Augen sah, als über lange Zeit davor. Als er durch Herbert zu sexuellen Handlungen mit Männern gezwungen wurde, empfand er dies als erniedrigend, entwürdigend und einfach nur ekelig. Er hatte ihn mit Gewalt gebrochen und wäre ohne die ‚erste‘ Hilfe seiner Klassenkameraden Johannes Selders und Raphael Senner wohl endgültig daran zerbrochen.

„Schlafen?“, fragte Laurin gähnend und schenkte Aaron einen besonders verliebten Blick.

„Ja – schlafen“, antwortete der Sechzehnjährige ebenfalls gähnend, bevor er das Licht auslöschte und die beiden Freunde sich in den Schlaf kuschelten.

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