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Samstag, 9. Februar 2013

Eigentor?! 1


Kapitel 1: Von Null auf Hundert



 Mist verpennt!“, murmelte sich der sechzehnjährige Johannes Selders in den spärlich wachsenden Teenagerbart und saß kerzengerade im Bett. „Wenn ich heute schon wieder zu spät zum Training erscheine, lässt mich ‚Der Schleifer‘ am Wochenende im Pokalspiel gegen Osnabrück gleich auf der Bank.“
Klar Fußball ist kein Chorknabenspiel, das wusste der Jugendliche, seit er mit sieben zum ersten Mal als Spieler im FSV-Trikot auf dem Rasen stand. Aber seit Marco Verheugen vor einem Jahr, die Mannschaft und somit das Training übernommen hatte, war der Ton doch wesentlich rauer geworden und sowohl Jo, wie ihn seine Kumpels nennen, als auch seine Teamkameraden fühlten sich immer öfter wie in einer Bundeswehrkaserne, aber keiner traute sich etwas dagegen zu sagen, weil das ja unmännlich wäre. Für Verheugen zählte nur der Erfolg, alles andere als ein Sieg war inakzeptabel und führte zu Strafen. Wie seine Spieler darüber denken oder wie sie sich dabei fühlen, interessierte den Schleifer Null.
Früher hatten sie immer richtig Spaß am Lauftraining im Upjeverschen Forst, aber wozu mussten sie jetzt nach jedem verlorenen Punktspiel wie Soldaten mit ‚Sturmgepäck‘ durch die Botanik traben? Wenn der Teenager an die ‚lustigen‘ Sprüche ihres Übungsleiters während des Trainings dachte, wurde ihm jedes Mal schlecht. Einmal hätte er sich sogar am liebsten auf den ‚Schleifer‘ geworfen und ihn dafür verprügelt, wenn Ergün und Raphael ihn nicht zurückgehalten hätten.
„Wenn ihr nicht richtig in die Zweikämpfe einsteigt, bewerfe ich euch mit Wattebäuschen bis ihr blutet -- ihr Schrankschwuchteln!“
 Das tat besonders Johannes weh und dies nicht nur, weil er danach die Stollen von Ergün in die Kniekehlen bekommen hatte. Gut der gleichaltrige Türke hatte sich als der Schleifer es nicht mitbekam sofort bei ihm entschuldigt und eigentlich waren sie ja schon seit Ewigkeiten Freunde, deshalb hatte er ihm dieses Foul auch sofort verziehen, aber dieser Spruch von Verheugen hatte einen wunden Punkt in Johannes berührt, den er seit langem geheim hielt.
*****
Recht früh, Johannes war gerade zwölf geworden, bemerkte er immer stärker, dass ihn viel mehr die Gehänge seiner Mannschaftskameraden beim Duschen interessierten. Sicher, Mädchen fanden die meisten anderen Jungs in dem Alter auch doof. Dieses ständige sinnlose Gekichere und Getuschel, sobald ein männliches meist etwas älteres Wesen in ihrer Nähe war. Und dann noch dieses blöde immer zu zweit aufs Klo gehen wollen. Was gabs denn bei denen schon so Besonderes zu sehen! Okay, Yvonne und Sarah hatten damals schon ein bisschen was in der Bluse, was gewissen weiblichen Rundungen ähnlich sah, aber sonst? Richtig alberne Hühner eben. Und daran hatte sich in den folgenden Jahren nach Jos Einschätzung auch herzlich wenig geändert.
Ne, dann doch lieber so etwas, wie vorigen Monat an seinem sechzehnten Geburtstag, als Raffi bei ihm übernachtet hatte, da war zwischen den beiden nämlich etwas passiert, was ihr Trainer auf keinen Fall erfahren durfte:
Mittlerweile war es 23 Uhr geworden und außer Raphael, waren alle anderen Gäste bereits nach Hause gegangen.
„War an sich ‘ne geile Party heute“, befand Raffi anerkennend, „aber das sich ausgerechnet unser Russe wieder derartig abschießen musste, dass er seiner Schnalle in den Ausschnitt gekotzt hat, das fand ich ja mal voll daneben.“
„Fand ich auch. Aber Yvonne ist ja eigentlich selbst schuld. Warum musste sie Sergey auch unbedingt, mit Wodka Red Bull abfüllen“, stellte der Gastgeber schmunzelnd fest, während sie die letzten Partyspuren beseitigten.
„Stimmt auch wieder. Oh man, bloß gut, dass wir morgen spielfrei haben. Der Schleifer würde am Rad drehen, wenn er davon was mitbekommen hätte.“
„Hör mir mit dem auf, der Arsch hat es neuerdings ja wohl voll auf mich abgesehen. Bloß weil ich ihm als Spielführer einmal die Meinung gesagt hatte, als er Timo aus dem Spiel nehmen wollte, bloß weil der diese unhaltbare Bananenflanke von dem Auricher Stürmer in die Maschen rauschen ließ“, erinnerte sich der Sechzehnjährige an den entwürdigendsten Augenblick in seiner Spielerkarriere.
Timo durfte dadurch zwar weiterspielen und sie hatten das Spiel am Ende deutlich mit 5:1 gewonnen, aber Verheugen hatte ihn (Johannes) dafür zur Halbzeit rausgenommen, in der Mannschaftskabine zusammengefaltet und Pawel als neuen Mannschaftskapitän bestimmt. Ausgerechnet den Polen, der damals gerade erst seit zwei Monaten ins Team gehörte, kaum deutsch spricht und noch nicht einen Pflichtspieltreffer erzielt hatte.
„Wenn er wenigstens dich genommen hätte, dass hätte ich ja noch verstanden, aber Pawel?“, stellte Hannes mit traurigem Blick fest.
„Och Mensch Jo, jetzt mach dir doch nicht die ganze schöne Stimmung kaputt. Der hat Pawel doch nur genommen, weil er noch keine Widerworte geben kann“, versuchte der blondhaarige Mittelfeldspieler seinen Sandkastenfreund wieder aufzurichten und schloss ihn tröstend in die Arme. „Und jetzt lass uns hochgehen in dein Zimmer, ich hab da noch eine besondere Überraschung für dich.“
Johannes fühlte sich sichtlich wohl in den Armen des blauäugigen, flachsblonden, jungen Mannes, mit dem er seit Kindergartentagen befreundet war. Sie waren zusammen eingeschult worden und fingen auch gleichzeitig mit Fußballspielen an. So war es völlig normal und logisch, dass sie gemeinsam den Kiebitzen beitraten. Seit Jahren verbrachten sie fast jeden Tag zusammen und wenn Jo nicht schwarzhaarig, grünäugig und stolze 10 Zentimeter größer wäre, könnte man die gleichaltrigen Jungs glatt für Brüder halten. Beide verband aber noch mehr als ihre Freundschaft, denn sowohl Johannes, als auch Raphael hatten noch ältere Geschwister, die allerdings beide schon länger volljährig waren und nicht mehr bei ihren Eltern lebten. Doreen und Torsten kannten sich ebenfalls seit dem Kindergarten und waren jetzt seit gut einem Jahr miteinander verlobt. Es wäre also durchaus so etwas wie eine Familientradition, wenn auch die beiden Jungs irgendwann ein Paar werden würden.
Zumindest bei den Eltern würden die beiden Jugendlichen damit nicht auf Probleme stoßen, dies hatten diese ihren Söhnen bereits einmal erklärt, obwohl sich weder der eine noch der andere vor ihnen bisher als schwul geoutet hatte. Naja Eltern, hier speziell die Mütter, spüren und wissen ja eh, was mit ihren Kindern  los ist, bevor diese überhaupt auf die Idee kommen mit der Sprache rauszurücken. Aber dies steht ja auf einem ganz anderen Blatt.
Weder Johannes noch Raphael hatte bisher über seine Gefühle für den anderen gesprochen und dennoch wussten beide auch ohne große Worte was und wie sie füreinander empfanden. Sie wussten von sich, dass sie von der sogenannten Norm abwichen, um es kurz zu machen, dass sie halt auf Jungs und hier speziell auf den jeweils gegenüberstehenden standen. Bisher fehlte ihnen lediglich der Mut dazu, ihre Gefühle offen dem anderen einzugestehen und sich auf ihre Liebe zueinander einzulassen. Aber genau dies sollte sich für Jo und Raffi an diesem Abend noch grundlegend ändern, denn sie hatten beide ordentlich Schmetterlinge im Bauch und ihre Herzen schlugen ihnen bis zum Hals, als sie sich voneinander lösten.
„Gute Idee -- lass uns hochgehen“, säuselte Johannes mehr, als das er es deutlich aussprach. Er hätte nämlich noch stundenlang stehend, in Raphaels Armen verbringen und in dessen blauen Augen versinken können.
*****
„So jetzt mach mal deine Augen zu, aber du darfst erst wieder gucken, wenn ich es dir erlaube“, sonderte der Flachsblonde schmunzelnd ab und nestelte einen Werder Bremen Schal aus seinem Rucksack, nachdem der 190 Zentimeter große Schwarzhaarige seiner Aufforderung gefolgt war. Dieses Spielchen trieben die Jungs an ihren Geburtstagen ja schließlich nicht erst seit gestern, genau deshalb wollte Raffi seinem Freund und Mannschaftskameraden diesmal richtig die Augen verbinden, was er diesem auch sagte.
„Och Menno Raffi, tut dat Not?“, nölte Jo und versuchte dabei extrem ‚verschnupft‘ zu klingen.
„Ja, tut et“, lautete die trockene Antwort, des Gefragten und wenig später stand das Geburtstagskind mit verbundenen Augen in seinem eigenen Zimmer und wusste nicht, was er davon halten sollte. Raphael dagegen wusste ganz genau, was er wollte, deshalb drehte er Jos Anlage auch schön laut auf. Es hat eben Vorteile, in einem Einfamilienhaus Gast zu sein und sturmfreie Bude zu haben, weil Johannes‘ Eltern bis zum nächsten Nachmittag, dessen große Schwester Doreen und ihren Verlobten (also Raffis Bruder Torsten), in Oldenburg besuchten.
Während jetzt die Akkustikversion des Justin Bieber Songs ‚Baby‘ aus den Lautsprechern dröhnte (auch wenn das jetzt total schwul klingen mag, aber schließlich sind sie es ja auch, die beiden mochten die Songs des süßen Kanadiers) und Johannes nichts anderes übrig blieb, als gute Miene zu machen, grinste sich Raphael einen Wolf, beförderte eine Flasche Glenmorangie samt passenden Whiskybechern auf den Tisch des Hauses, schlich sich dann hinter den Rücken seines Freundes umarmte ihn von hinten und blies diesem vorsichtig seinen Atem in den Nacken. Dem Sechzehnjährigen stellten sich die Nackenhaare auf, als er den warmen Luftzug spürte und das kribbeln in seinem Bauch, steigerte sich dabei ins unermessliche. Am liebsten hätte Johannes sich jetzt umgedreht und Raffi auf die Lippen geküsst, allerdings traute er sich nicht, diesen ersten Schritt zu machen. Warum sollte es dem Blondschopf in diesem Augenblick besser ergehen, als seinem ‚blinden‘ Freund? Auch in seinem Bauch tobten Schmetterlinge ohne Ende um die Wette und er hätte Jo am liebsten umgedreht um dessen rosige Lippen, mit seiner Zunge zu umspielen, doch auch ihn verließ vorerst der Mut und so ließ er von ihm ab, schlich, zur Anlage, biss sich dabei kurz auf die Unterlippe und stellte diese wieder leiser (also die Anlage, nicht die Unterlippe *gg*).
„So du darfst die Augenbinde jetzt wieder abnehmen“, nuschelte Raphael verlegen und ließ seinen Blick zu Boden sinken, als Johannes der Aufforderung gefolgt war und seinen Blick zunächst auf den Tisch und dann auf seinen Freund lenkte, der mit hängenden Schultern bei der Anlage stand und dem ein tiefer Seufzer entfuhr.
„Cool Whisky und so ein edler Tropfen, wo haste den denn her?“, wollte er gerade sagen, als ihm das seltsame Verhalten seines alten Kumpels auffiel. „Och Mensch Raphael, was ist denn auf einmal los mit dir?“, fragte er stattdessen und forderte den Sechzehnjährigen auf zu ihm zu kommen. „Ist doch alles gut“, flüsterte er und zog Raffi langsam in seine Arme. Als die beiden sich tief in die Augen blickten, schlossen sie beinahe gleichzeitig ihre Augen und ihre Köpfe kamen sich ganz langsam immer näher. Was dabei in den Köpfen und Körpern vor sich ging, kann sich wohl jeder vorstellen, der schon einmal richtig verliebt war. Der Puls raste wie der eines Marathonläufers, ihre Herzen schlugen ihnen bis zum Hals und die Schmetterlinge in ihren Bäuchen drehten eine Ehrenrunde.
„Ich liebe dich Raphael Senner“, hauchte Jo, bevor sich ihre Lippen endlich berührten und diesmal ihm ein Seufzer entfuhr. Seit Jahren hatte er von diesem Augenblick geträumt und jetzt war er endlich Wirklichkeit geworden. Zunächst nur vorsichtig und dann immer fordernder umspielten sich ihre Lippenpaare, bis beide wie auf Befehl ihre Lippen ein Stück öffneten, um auch ihre Zungen an diesem Erlebnis Anteil nehmen zu lassen. Es war für beide das erste Mal und sie genossen es aus tiefstem Herzen, mit der Zungenspitze in den Mundraum des Partners einzudringen um diesen zu Ergründen.
„Ich liebe dich auch Johannes Selders“, gestand der blonde Jüngling fünf Minuten später Atemlos, bevor sie sich nebeneinander auf die Couch setzten, sich einen Schluck von dem Malt eingossen und mit diesem aus zwei Gründen anstießen. Und die hatten sie ja ohne Zweifel, denn erstens war Johannes Geburtstag noch nicht vorbei und zweiten hatten sie sich endlich ihre Liebe eingestanden und sich sogar richtig geküsst.
*****
Als ‚Baby‘ von J.B. erklang, wurde Johannes je aus seinen Erinnerungen gerissen. Er streckte sich noch mal kurz, dann griff er neben sich nach seinem Smartphone und erkannte sofort, dass es ein Anruf, von Raphael war.
„Hey Schatz“, hörte er die Stimme seine Freundes, „bist du schon unterwegs?“
„Nein, bin noch daheim. Die Schule hatte mich heute dermaßen geschlaucht, dass ich mich nur kurz aufs Bett hauen wollte und wohl fest eingepennt bin.“
„Gut du brauchst dich nicht zu beeilen, ‚Der Schleifer‘ hatte einen  kleinen Unfall mit seinem Van und das Training fällt heute aus“, verkündete Raffi grinsend.
„Na das sind ja Neuigkeiten, geschieht dem Arschloch mal ganz recht, bleibt es eigentlich dabei, dass du heute bei mir pennst? Morgen is doch schulfrei und da könnten wir doch heute mal wieder schön ins Kino. Der Hobbit läuft in Willihaven.“
„Klaro, ich pack nur schnell meine Sachen, schwing mich auf den Roller und bin in 20 Minuten bei dir“, brabbelte Raffi glücklich vor sich hin, bevor sie das Gespräch beendeten.

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